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Globalisierung: Lektionen von Amazon
Internationale Expansion erfordert weit mehr, als nur die bestehenden Geschäftsprozesse zu kopieren und qualifiziertes lokales Personal einzustellen. Globale Konsumenten sind heute deutlich anspruchsvoller als noch vor fünf Jahren – sie erwarten eine große Produktauswahl, einfache und intuitive Zahlungsmethoden, schnelle Lieferoptionen und relevante Empfehlungen. Für all diese neuen Erwartungen gibt es ein Unternehmen, dem wir danken können – Amazon.
Ich habe Amazons Vorstoß in den internationalen Markt mit großem Interesse verfolgt. Ihre Rückschläge in China sind gut dokumentiert. Doch das Unternehmen hat einen sehr innovativen Ansatz für einen anderen aufstrebenden Markt gewählt – Indien. Da weniger als 20 % der Bevölkerung Zugang zum Internet haben (im Vergleich zu 86 % in den USA), ist Amazon bewusst, dass weit mehr als die offensichtliche Lokalisierung der Sprache und regionsspezifisches Marketing notwendig ist. Das Unternehmen muss seine neuen Kunden und deren bevorzugte Geschäftsgebaren wirklich verstehen.
In Indien arbeitet Amazon sehr intensiv daran, aus seinen Kunden Abonnenten zu machen, um langfristige Geschäftsbeziehungen und stetige wiederkehrende Einnahmen zu sichern. So geht Amazon dabei vor:
Lektion Nr. 1: Verlernen Sie Ihre etablierten Modelle und passen Sie sich den Gewohnheiten Ihrer Kunden an.
Die überwiegende Mehrheit der Inder bevorzugt nach wie vor den traditionellen persönlichen Verkauf, während Amazon seine Wurzeln im Internet hat. Das scheint auf den ersten Blick wenig erfolgversprechend. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Amazon hat hierfür eine clevere Lösung gefunden. Der Handelsriese arbeitet mit Tausenden von kleinen Geschäften zusammen, die als Vermittler fungieren – den Kunden im Laden wird die Amazon-Website gezeigt und sie werden durch das Produktangebot geführt. Das Geschäft gibt dann die Bestellung im Namen des Kunden auf. Auch telefonische Bestellungen sind eine Möglichkeit.
Durch diese Zusammenarbeit baut Amazon bereits jetzt Beziehungen zu den Kunden auf. Wer, denken Sie, wird über die entscheidenden Kundendaten und Einblicke verfügen, wenn die Konkurrenz auf den Markt kommt? Werfen Sie einen Blick auf Ihre eigene Kontohistorie! Amazon kennt alles – vom ersten bis zum letzten Einkauf.
Lektion Nr. 2: Akzeptieren Sie Zahlungen in den lokalen Zahlungsmethoden.
Auch wenn die Möglichkeit, in der lokalen Währung Geschäfte abzuwickeln, selbstverständlich ist, unterschätzen Unternehmen häufig die Komplexität internationaler Zahlungsmethoden. Es gibt allein mehr als 200 verschiedene elektronische Zahlungsmöglichkeiten. Die Präferenzen der Kunden unterscheiden sich von Land zu Land – in China wird Alipay verwendet, in Brasilien kauft man mit Boleto, und SEPA ist in einigen Teilen Europas populär.
Nur ein kleiner Teil der Inder besitzt Kreditkarten – vielleicht die wichtigste Zahlungsmethode des Unternehmens in den USA. Was macht Amazon also? Es lernt, mit Indern auf die von ihnen bevorzugte Art zu handeln – mit Bargeld. Das Partnernetzwerk aus kleinen Geschäften dient folgerichtig auch als Zahlungs- und Ausgabestelle.
Und das ist der Punkt: Mit über 900 Millionen Mobilfunkteilnehmern wird erwartet, dass mobile Zahlungen in Indien bis 2019 auf 19 Milliarden US-Dollar steigen. Auch Online-Banking und Debitkarten legen insbesondere in den urbanen Bereichen stark zu. Amazon investiert klugerweise in Beziehungen zu Kunden, die zunehmend auf die bevorzugten Zahlungsmethoden des Unternehmens umsteigen.
Lektion Nr. 3: Hören Sie auf Ihre Kunden
In vielen aufstrebenden Märkten besteht die Kunst darin, dass Unternehmen gleichzeitig die vorherrschenden lokalen Gewohnheiten kennenlernen und dennoch ein globales Erlebnis bieten. Amazon verkauft in Indien Kuhdung. Ja, Sie haben richtig gelesen. Dung. Warum? Weil es eine Nachfrage dafür gibt.
Kühe werden im Land verehrt und ihr Dung wird bei religiösen Zeremonien verwendet. Mit dem Wachstum der Städte wird es immer schwieriger, Kuhdung einfach zu beschaffen. Doch das ist jetzt kein Problem mehr – bei Amazon ist er nur einen Klick entfernt.
Die urbane indische Kundin möchte genauso wie alle anderen in der Subscription Economy Zugang zu ihrem Kindle und Amazon Prime. Kindle-Abonnements sind verfügbar und das Unternehmen plant, sehr bald Musik- und Videoabonnements in Indien einzuführen. Und dann gibt es noch Kirana Now, die lokale Version von Amazon Prime und Fresh für Alltagsprodukte.
Lektion Nr. 4: Haben Sie Geduld
Es gilt als allgemeine Weisheit, in aufstrebende Märkte möglichst früh und regelmäßig einzusteigen. Doch in Indien agiert Amazon vergleichsweise überlegt, um aus den Fehlern und Erfolgen der lokalen Wettbewerber zu lernen.
Indische Handelsunternehmen wie Flipkart haben das US-amerikanische Amazon-Modell mehr oder weniger übernommen. Amazon Indien hingegen geht deutlich weiter ins Detail. Um Händler zu gewinnen, bietet Amazon an, deren Produkte zu fotografieren, Abhol- und Lieferservices zu übernehmen und sogar bei der Steuererklärung zu helfen. Wo, glauben Sie, wird ihr Geschäft angesiedelt sein, wenn der E-Commerce-Markt des Landes weiter wächst?
Amazon verfügt über die finanziellen Mittel und den Luxus, sich mit langfristiger Perspektive richtig zu positionieren. Das Unternehmen versteht es, aus Kunden Abonnenten zu machen. Es gibt keinen Grund, warum kleinere Unternehmen dies nicht gemeinsam mit wichtigen Kategoriepartnern tun sollten, um die gleichen Vorteile zu nutzen und sich erfolgreich in der heutigen Subscription Economy zu positionieren.